Zwei für mich,
einer für dich

19. MAI 2024 I 1001kinderbuch

Autor und Illustration: Jörg Mühle; Verlag: Moritz; Altersempfehlung: ab vier Jahre; Erscheinungsjahr: 2018; Jahr der Ausgabe: 2023 (11. Auflage);  Seiten: 32; Auszeichnungen: Auswahlliste deutscher Jugendliteraturpreis; Einband: gebunden

© Jörg Mühle, Zwei für mich, einer für dich; Moritz Verlag

Wie teilt man gerecht? Dieser Frage widmet sich mit kindlicher Begeisterung Jörg Mühles Bilderbuch „Zwei für mich, einer für dich“. Inhalt ist die Frage, die jedes Kind (und die Erwachsenen auch) irgendwann umtreibt: „Was ist eigentlich gerecht? Wie viel sollte ich bekommen? Wie viel die anderen?“ Es gibt hier so viele Ansätze wie Verteilungsmöglichkeiten. 

Eigentlich war es ein wunderbarer Nachmittag: Der Bär findet auf dem Nach-Hause-Weg drei Pilze. Prima! Zu Hause angekommen macht sich sein Freund, das Wiesel, gleich an die Zubereitung: Es wird gewaschen und geschnitten, gekocht und gebrutzelt. Der Bär trägt nach der ganzen Kocherei auf: Zwei Pilze für ihn und einen für das Wiesel.

Warum er so einteilt, erklärt er sogleich: Er sei so groß, er müsse viel essen. (Vielleicht liefert er so schnell eine Erklärung, um sein schlechtes Gewissen etwas zu beruhigen oder sich vielleicht besser gleich vor unerwünschten Einwänden abzusichern?)

© Jörg Mühle, Zwei für mich, einer für dich; Moritz Verlag

Das Wiesel findet die Erklärung des Bären jedenfalls nicht überzeugend: Es selbst müsse schließlich noch wachsen! Also müsse es selbst zwei Pilze bekommen und der Bär nur einen. Schon fliegen die Einwände gegenseitig um die Ohren: Der eine hat die Pilze gefunden, und beansprucht deshalb den größeren Teil, der andere, beansprucht diesen, da er sie zubereitet hat. So geht es beständig weiter.

Mühle zeigt Kindern, welche unterschiedlichen Argumente man in einer Diskussion um eine gerechte Verteilung hervorbringen könnte. Unterschiedliche Aspekte sollten bei einer Verteilung, jedenfalls wenn sie den Anspruch erhebt, gerecht zu sein, beachtet werden: Es ist wichtig zu schauen, wer wieviel Arbeit investiert hat, aber auch, wer das zu verteilende Gut vielleicht wirklich nötig hat.

© Jörg Mühle, Zwei für mich, einer für dich; Moritz Verlag

Mühles Buch führt Kinder in eine Diskussion über Gerechtigkeit ein ohne diese zu theoretisieren: Die Begriffe der Verteilung nach Gleichheit, Leistung, Bedürfnis fallen nicht. Es sind aber diese Begriffe, die der Diskussion zu Grunde liegen. Spielerisch lernen Kinder die Komplexität dieser Begriffe und die wichtigsten Prinzipien der Verteilungsgerechtigkeit kennen.

Manche Kinder werden vielleicht einwenden, warum denn der dritte Pilz nicht einfach halbiert wird. Das wäre im Falle von Pilzen eine mögliche Lösung. Allerdings nur, wenn beide mit einer gleichen Aufteilung einverstanden sind und diese wirklich gerecht wäre (Gleichheit muss nicht immer richtig sein, z.B. wenn der eine etwas dringender braucht als der andere). Zudem öffnet diese Nachfrage auch weitere Differenzierungen: Welche Sachen können denn bei einer Aufteilung weiter aufgeteilt werden? Ein Pilz kann halbiert, geviertelt und gedrittelt werden. Aber ein Bild auch? Und wie ist das mit der Zeit oder einem Sitzplatz bei der Kinovorstellung?

© Jörg Mühle, Zwei für mich, einer für dich; Moritz Verlag

Mühle hat neben seiner Gabe, einen kurzen, schnellen, klugen und witzigen Text zu schreiben, auch noch das Talent, diesen unglaublich phantasievoll und mitreißend zu illustrieren. Wie bei jedem ausgezeichneten Bilderbuch, geschieht auch hier auf jeder Seite mehr als der Text selbst hergibt. Mühle webt mehrere Ebenen in seine Bilder und seinen Text und damit zeigt er, mit wieviel Aufmerksamkeit er seinen jungen Lesern begegnet. Zugleich sind seine Buntstiftzeichnungen liebevoll und bunt und beide Figuren werden schnell ins Herz geschlossen. 

Durch die Ernsthaftigkeit, mit welchen er dem klugen Verständnis der Kinder begegnet, und die gleichzeitige witzige Verspieltheit, die dieses Werk auszeichnen, ist Jörg Mühles „Zwei für mich, einer für dich“ ein wunderbares und zeitloses Kinderbuch über ein komplexes wie zentrales philosophisches und gesellschaftliches Thema. Mit seinem Tempo und seiner Verschmitztheit ist es ein Gewinn für jedes Kinderzimmer.

© Jörg Mühle, Morgen bestimme ich!; Moritz Verlag

In „Morgen bestimme ich!“ setzt Jörg Mühle die Auseinandersetzung zwischen den beiden Freunden Wiesel und Bär fort. Wir sind gespannt!

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